Total High - Euphorie am Matterhorn

Es ist bekannt, dass Sportler den Höheneffekt für sich nutzen. Das Sauerstoffangebot ist kleiner, der Körper produziert mehr rote Blutzellen. Das ist natürliches Doping – und hält bis zu drei Monaten an. Die mittlere Höhe von 2'000 bis 2'500 m ist der Bereich, in dem Ausdauersportler ihr Höhentraining absolvieren, wo die meisten Alpenvereinshütten liegen und wo der Urlauber seine Bergwanderungen geniesst.

Ein Interview mit dem Höhenmediziner Prof. Dr. Wolfgang Domej, Vizepräsident der ÖGAHM (Österreichische Alpin- und Höhenmedizin) und Präsident der ARGE Alpinmedizin.

 

Prof. Dr. Wolfgang Domej, was geschieht mit dem menschlichen Organismus, wenn er zum Beispiel in eine Seilbahn einsteigt, um auf grosse Höhe zu gelangen – ausser einem Druckgefühl in den Ohren und manchmal etwas Müdigkeit ist ja meist nicht viel zu spüren.

Unmerklich beginnt ein Gesunder durch den Sauerstoffmangel mit zunehmender Höhe verstärkt zu atmen, der Puls wird etwas schneller und der Blutdruck erhöht sich ein wenig.

Es heisst, dass der Aufenthalt in bestimmten Höhenlagen ein "natürliches Doping" bewirkt, Spitzensportler wissen diesen Effekt zu nützen. Wie kann sauerstoffärmere Luft dopen?

Der „Dopingeffekt“ bezieht sich in erster Linie auf eine verbesserte Sauerstoffversorgung des Körpers auf Normalhöhe im Anschluss an einen längeren Höhenaufenthalt.

Worauf führen Sie den Boom von Alpinsportarten während der letzten Jahre zurück?

Alpinsport hat noch immer etwas von Abenteuer; dazu kommen die Eindrücke einer natürlichen, wunderbaren Landschaft und der Kontrast zu den trüben Grossstadtbüros, die eine körperliche Selbstverwirklichung nur selten zulassen.

Was ist bei einem Aufenthalt auf 4'000 m zu beachten?

Möchte man auf 4'000 m leistungsfähig sein, sollte man sich ein paar Tage akklimatisieren. Gegen einen kurzfristigen Aufenthalt in dieser Höhe ist nichts einzuwenden.

In Tibet gibt es Bergvölker, die permanent und von Geburt an in mittleren und grossen Höhen leben. Worin unterscheiden sie sich von Menschen, die auf Meeresniveau leben?

Es gibt, wie man heute weiss, genetische Anpassungsunterschiede, die sich über Jahrtausende entwickelt haben; Tibeter stellen ein Volk dar, das nachweislich am längsten in grossen Höhen lebt und daher genetisch am besten an den Sauerstoffmangel der Höhe angepasst ist.

Zählen Sie uns spontan Vorteile und Gefahren eines mehrtägigen Aufenthaltes auf über 3'000 m auf.

Ein Höhenaufenthalt auf 3'000 m ist keine wirklich grosse Herausforderung für den gesunden Organismus; die klimatischen Faktoren der Höhe werden allerdings schon deutlich – darunter Höhenstrahlung, Kälte, Lufttrockenheit, Sauerstoffmangel. Kurzurlaube in Höhenlagen um etwa 2'500 bis 3'000 m sind sogar gesundheitsfördernd und stärken die Immunabwehr durch Vermehrung der roten Blutkörperchen.

Halten Sie für möglich, dass die Wirkungen mittlerer und grosser Höhen für meditative und spirituelle Effekte genutzt werden, gibt es das bereits in Europa?

Klöster gibt es in Nepal bis an die 5'000er-Grenze; ich glaube, dass sich meditative Gedanken allein durch eine imposante Gebirgslandschaft ergeben können, sofern man die Berge nicht als reine „Sportgeräte“ sieht, wie das heute häufig der Fall ist.

Kennen Sie Mythen zum Thema "Menschen und Berge" - welche?

Es ist bekannt, dass sich in extremen Höhen unter dem Sauerstoffmangel halluzinatorische Zustände ergeben können, die positiv auf die Kreativität wirken, aber auch eine beträchtliche Bedrohung darstellen können, wenn man ihnen nicht adäquat begegnet.

Wie wirkt sich eine mittlere und wie eine grosse Höhenlage auf die psychische Befindlichkeit aus - gibt es dazu Forschungen?

Bereits in mittleren Höhen beginnen die Reaktionszeit und Aufmerksamkeit unter dem Einfluss des Sauerstoffmangels messbar abzunehmen.

Das Interview führte Dr. Monika Wogrolly-Domej. Mit freundlicher Genehmigung der Kulturzeitung LIVING CULTURE.